Wirtschaftsordnung: Systeme zwischen Markt und Plan

Wirtschaftsordnung: Systeme zwischen Markt und Plan
Wirtschaftsordnung: Systeme zwischen Markt und Plan
 
Die Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Handeln werden durch die Wirtschaftsordnung festgelegt. Im Wesentlichen versteht man darunter die gesetzlichen Regelungen der Wirtschaftsverfassung und die realisierte Wirtschaftspolitik einer Volkswirtschaft. Idealtypisch lassen sich die freie Marktwirtschaft und die zentrale Planwirtschaft unterscheiden, die beide in reiner Form allerdings nie realisiert wurden. Neben überwiegend marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften wie den USA und überwiegend planwirtschaftlichen Volkswirtschaften wie der ehemaligen UdSSR gibt es eine Reihe von Mischformen.
 
 Idealtypen und Mischformen
 
In einer freien Marktwirtschaft werden die Wirtschaftsprozesse dezentral gelenkt. Art und Umfang der Produktion werden maßgeblich über Märkte gesteuert, auf denen die Vielzahl der Angebots- und Nachfrageentscheidungen über die Preisbildung koordiniert werden. Das auf den eigenen Vorteil ausgerichtete Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer soll dabei über freie Konkurrenz zugleich zum höchsten Wohlstand der Gesellschaft führen. Im Gegensatz zur freien Marktwirtschaft steuert in einer Planwirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft) eine zentrale Planungsbehörde entsprechend den allgemeinen Zielvorgaben der staatlichen Führung auf der Basis von staatlichen Plänen die gesamte Volkswirtschaft. Als Mischformen im engeren Sinne werden die sozialistischen Marktwirtschaften bezeichnet, die entstanden, als die Praxis der sozialistischen Länder erhebliche Nachteile der zentralen Planwirtschaft gegenüber den marktwirtschaftlichen Systemen zeigte. Gemischte Wirtschaftsordnungen ergaben sich aus dem Versuch, die Schwächen des planwirtschaftlichen Systems auszugleichen, ohne dabei die politische Ordnung infrage zu stellen. Allerdings sind auch diese Mischformen gescheitert, sodass in Ländern, die diesen Weg beschritten haben, ein Transformationsprozess hin zu marktwirtschaftlichen Systemen eingesetzt hat. Im weiteren Sinne ist unter einer Mischform aber jede Wirtschaftsordnung zu verstehen, die Elemente aus beiden idealtypischen Wirtschaftssystemen aufgreift.
 
 Mischformen aus der Wirtschaftsgeschichte
 
In einer sozialistischen Marktwirtschaft sind die Produktionsmittel zum Großteil nicht im Privatbesitz. Der Wirtschaftsprozess bei unterschiedlich stark ausgeprägter staatlicher Struktursteuerung wird dezentral über Märkte koordiniert. Je nach der realisierten Eigentumsordnung und den daraus folgenden Konsequenzen bezüglich des Inhalts und Umfangs staatlicher Wirtschaftspolitik wird unterschieden zwischen der staatswirtschaftlichen Marktwirtschaft, bei der die Produktionsmittel Staatseigentum sind (z. B. in Ungarn bis Ende der 80er-Jahre und in China in den 80er-Jahren), und der selbst verwalteten sozialistischen Marktwirtschaft, in der die Produktionsmittel Gesellschaftseigentum sind (z. B. in Jugoslawien bis Ende der 80er-Jahre). In einer staatswirtschaftlichen Marktwirtschaft dominiert das Staatseigentum an Produktionsmitteln. Auf der einen Seite werden die makroökonomischen Prozesse durch den Staat zentral geplant und gelenkt; auf der anderen - mikroökonomischen- Seite planen einzelne Betriebe dezentral ihre wirtschaftlichen Aktivitäten, die über Märkte koordiniert werden. In einer selbst verwalteten sozialistischen Marktwirtschaft dominiert das Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln. Weder der Staat noch Private dürfen Produktionsmitteleigentum erwerben. Dies bedeutet, dass das Gesellschaftseigentum praktisch ein Gruppeneigentum der Beschäftigten der einzelnen Betriebe darstellt, über dessen Nutzung die Mitarbeiter im Rahmen der Arbeiterselbstverwaltung entscheiden. Die Produktions- und Verteilungsprozesse werden dezentral durch die privaten Haushalte und Unternehmen über Wettbewerbsmärkte bei freier Preisbildung geplant und gelenkt.
 
 Mischformen im weiteren Sinne
 
Die Mischformen im engeren Sinne sind gescheitert, da sie sich wie die zentralen Planwirtschaften als ineffizient erwiesen haben. Aber auch der Idealtyp einer freien Marktwirtschaft weist Schwächen auf, die in realen marktwirtschaftlichen Ordnungen auszugleichen versucht werden. Die Wirtschaftsordnung Deutschlands, die soziale Marktwirtschaft, ist in diesem Sinne auch eine Mischform. Hohes Wirtschaftswachstum beispielsweise kann in einer freien Marktwirtschaft zu einer sehr ungleichmäßigen Einkommens- und Vermögensverteilung führen. Die soziale Marktwirtschaft versucht daher, durch Einkommensumverteilungen die sozialen Probleme, die aus dem sich selbst überlassenen Wirtschaftsprozess für bestimmte Gruppen der Bevölkerung entstehen, zu mildern. Als weitere konkrete Ausprägungen von Marktwirtschaft existierten bzw. existieren z. B.: die französische Planification mit integrierter Makroplanung, das »schwedische Modell« mit der Betonung des Vollbeschäftigungsziels und der sozialen Sicherheit und das durch ein hohes Maß an Deregulierung gekennzeichnete »amerikanische Modell«.

Universal-Lexikon. 2012.

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